Brunello Annata 2011

„Der Jahrgang ist viel besser ausgefallen, als wir erwartet haben.“ Roberto Giannelli (San Filippo)

JAMES SUCKLING

Jeder wird 2011 Brunello di Montalcinos gerne trinken. Sie sind zum größten Teil fruchtige und köstliche Rotweine mit viel reifer Frucht (manchmal zu viel) und weichen und saftigen Tanninen. Sie erinnern mich an die sehr trinkbaren und vorwärts gerichteten 2000er, 2003er und 2005er Jahre.

„An den 2011er Jahren gibt es nichts zu missen“, gibt Giacomo Neri, der Besitzer von Casanova di Neri, einem der führenden Winzer von Brunello, zu. „Es sind sehr gute Weine aus einem sehr guten Jahrgang.“ Ich würde nach der Verkostung von etwa 200 Beispielen etwas weiter gehen und sagen, dass 2011 ein ausgezeichneter Jahrgang ist. Ich habe die Hälfte davon Ende letzten Jahres probiert und die Notizen im November veröffentlicht. Den Rest habe ich vor ein paar Wochen in der Toskana probiert.

Ich habe mehr als 90 Prozent der Brunellos 2011 mit 90 Punkten oder mehr bewertet. Der Jahrgang ist also in der Tat hervorragend. Die einzigen Weine, die ich unter 90 Punkten bewertet habe, waren Weine mit zu viel Alkohol, mit offensichtlicher und überreifer Frucht oder eher dünne Vertreter ihrer Art.

„Der Jahrgang ist viel besser ausgefallen, als wir erwartet haben“, sagt Roberto Giannelli, der Besitzer von San Filippo, der in meiner Verkostung zu einem der besten Brunellos 2011 wurde. Ich habe ihn mit 94 Punkten bewertet. Giannelli und andere Brunello-Hersteller glauben, dass die 2011er besser sind als andere heiße Jahrgänge wie 2000 oder 2005, weil die Weine mehr Frische und Säure haben.

Die Weinbauperiode war geprägt von sporadischen Regenfällen im Juni und Juli und extrem heißem Wetter im August. Eine Reihe von Wärmespitzen schickten den Zucker in den Trauben in die Höhe. Während der Ernte im September fiel mehr Regen, aber die Trauben blieben reif und reich. Und sie brachten ausgezeichneten Wein hervor, wenn auch für den früheren Konsum gemacht. – James Suckling

„Neben diesen Top-Produzenten (deren Weine leider auch zu den teuersten gehören) gibt es frei­lich einige Brunello, die sehr viel weniger kosten, aber jeden Cent wert sind. Beispiel: Lisini, Il Poggione, Campo­gio­vanni, Caprili, aber auch andere.“ Jens Priewe (weinkenner.de)

WEINKENNER.DE

Der Jahr­gang 2011 steht im Schatten des großen 2010ers. Zu Unrecht? Jens Priewe hat knapp hundert Brunello probiert und sagt: Die besten 2011er sind nicht schlechter als ihre Vorgänger. Nur gibt es sehr viel weniger gute – und sehr viel mehr blamable.

Bis Mitte August 2011 hinein glaubten die Brunello-Winzer, der neue Jahr­gang würde noch besser werden als der große 2010er. Alles war bis dahin perfekt gelaufen: die Blüte, der Gesund­heits­zu­stand der Trauben, und die Menge, die an den Reben hing, stimmte auch. Doch dann wendete sich das Blatt. Ein heißer, trockener Wind aus Afrika fegte plötz­lich über die Toskana und ließ die Tempe­ra­turen in die Höhe schnellen. Der Zucker­ge­halt der Beeren nahm rascher zu, als die pheno­li­schen Elemente reifen konnten. Die Säuren gingen in den Keller. Und wer die Laub­wand seiner Reben bereits entblät­tert und die Trauben frei­ge­stellt hatte, riskierte, dass diese einen Sonnen­brand bekamen. Kein Vergleich jeden­falls mit dem ausge­gli­chenen, undra­ma­ti­schen Reife­ver­lauf des Jahres 2010. Die Lese begann in 2011 dann auch so früh wie lange nicht. Sie war hektisch. Der Lese­auf­wand war enorm. Eine Heraus­for­de­rung für die Winzer.

Seit Januar sind die 2011er Brunello di Montal­cino nun frei­ge­geben. Der erste Eindruck, den sie hinter­lassen, spie­gelt die ganze Dramatik dieses heißen Jahr­gangs wider. Viele Weine sind über­reif, haben Kocha­romen, sind behäbig oder haben trockene, teils grüne Tannine, weil die Reben ange­sichts der Hitze den Stoff­wechsel zeit­weise einge­stellt hatten. Ein erschre­ckend hoher Anteil der Weine ist unfrisch und weist jetzt bereits eine Braun­tö­nung auf. Das gilt beson­ders für Weine von der Südflanke Montal­cinos: Banfi, Argiano, Col d’Orcia vermögen in 2011 mit ihren Weinen leider nicht zu glänzen. Die Güter in den kühleren Unter­zonen hatten es dagegen deut­lich leichter: Il Marro­neto, Caparzo, Nardi, Poggio Antico zum Beispiel.

Aber das Klima allein ist nicht die Ursache für die großen Quali­täts­un­ter­schiede. Auch vom südli­chen Rand Montal­cinos kommen einige sehr respek­table Weine, etwa die von Agos­tina Pieri. Es kommt also ganz entschei­dend darauf an, wie die Winzer arbeiten. Dass ein 350-Hektar-Betrieb wie Banfi es schwerer hat als ein kleines Fami­li­en­weingut, liegt aller­dings auf der Hand.

Dennoch: Der Konsu­ment, der für einen Brunello di Montal­cino von 25 Euro an aufwärts bezahlen soll, legt Wert darauf, dass der Inhalt der Flasche dem Preis und dem Ruf entspricht, der diesem toska­ni­schen Rotwein voraus­eilt. Und in 2011 wird er, wenn er nicht enttäuscht werden will, sehr selektiv vorgehen müssen. Die besten 2011er Brunello di Montal­cino sind auf einem ähnli­chen Niveau wie 2010 – majes­tä­ti­sche Weine, sehr komplett und perfekt ausba­lan­ciert. Die Erzeuger sind weit­ge­hend die glei­chen, die auch in den Vorjahren schon bril­liert hatten: Salvioni (der bei Parker 98 Punkte für seinen 2010er erhalten hat), Poggio di Sotto (97 Punkte), Il Marro­neto mit seinem Lagen­wein „Madaonna delle Grazie“ (100 Punkte). Punkt­mäßig bin ich aller­dings vorsich­tiger, als die meisten Tester es im Vorjahr waren. Mir waren zum Beispiel die Bewer­tungen der Parker-Testerin Monica Larner bei den 2010ern zu hoch. Aber im Ranking gehören die höchst bewer­testen Güter auch 2011 zu den besten.

Neben diesen Top-Produzenten (deren Weine leider auch zu den teuersten gehören) gibt es frei­lich einige Brunello, die sehr viel weniger kosten, aber jeden Cent wert sind. Beispiel: Lisini, Il Poggione, Campo­gio­vanni, Caprili, aber auch andere. – WEINKENNER.DE

„Gewiss, die 2011er haben tendenziell etwas härteres und trocknendes Tannin, in den besten Weinen sind die Tannine aber doch sehr geschliffen und feinmaschig. Die Aromen sind reif, jedoch selten überreif. Und die Weine sind auch frisch und saftig.“ Falstaff

FALSTAFF

Mit dem Jahrgang 2010, der 2015 auf den Markt kam, erlebte Brunello einen regelrechten Hype. Die Keller von Montalcino wurden leer gekauft – und einige Altbestände gleich mit. Aber wie sieht es mit dem Nachfolgejahrgang aus, dem 2011er? Der Witterungsverlauf hatte die Winzer vor große Herausforderungen gestellt. Zuerst recht kühl, setzte ab Mitte August plötzlich tropische Hitze ein. Die Trauben reiften beinahe über Nacht, und die Ernte fand in den meisten Fällen sehr früh statt. Skepsis zur Qualität des Jahrgangs war also angebracht. Um so überraschender und angenehm präsentieren sich nun die Weine viereinhalb Jahre danach.

Gewiss, die 2011er haben tendenziell etwas härteres und trocknendes Tannin, in den besten Weinen sind die Tannine aber doch sehr geschliffen und feinmaschig. Die Aromen sind reif, jedoch selten überreif. Und die Weine sind auch frisch und saftig. Sie werden vielleicht nicht ganz so langlebig sein wie die größten Jahrgänge, aber das muss ja nicht immer sein. Mithin sind die besten Brunello 2011 – und davon gibt es eine ganze Menge – ideal, um bereits in frühen Jahren angetrunken zu werden – ganz im Gegensatz zum 2010er. Diese Weine sind grandios, das zeigte sich dieses Jahr auch an den Riservas. Nur selten kann Brunello Riserva halten, was der Normaljahrgang verspricht. Bei 2010 hingegen waren mehr Riservas unter den Topweinen als je zuvor. Voll im Ausdruck, dicht und tiefgründig präsentieren sie sich. Aber sie können ruhig noch einige Jahre im Keller reifen. Trinken Sie bis dahin die zugänglicheren 2011er, und Sie werden große Freude haben! – FALSTAFF

„Alles in allem gibt es einige ausgezeichnete, sehr angenehme und leicht zu trinkende Brunello 2011, auch wenn die meisten nicht dazu bestimmt sind, lange zu altern.“ DOCTORWINE.IT

DOCTORWINE.IT

2011 war ein umstrittenes, kompliziertes Jahr aufgrund des ungewöhnlichen Wetters, das die Fähigkeiten der Produzenten, die aus dem heißen Jahrgang 2003 und in geringerem Maße auch aus dem Jahr 2007 gelernt haben, hervorhob. Milde Temperaturen und reichlich Niederschläge führten zu einer sehr frühen Blütezeit, in einigen Gebieten bis zu zwei Wochen früher, was eine schnelle Reifung der Trauben auslöste, die sie dem Einfluss von Oidium und Falschmehltau aussetzte, mit dem die Produzenten gut umgehen konnten. Das Wetter änderte sich im Juli dramatisch mit sengenden Temperaturen und einem fast völligen Mangel an Regen. Die Weinberge mit dünneren und besser ausgelaugten Böden – Bereiche, die allgemein als die besten gelten – und diejenigen, die genügend Feuchtigkeit zurückhielten, haben die Bedingungen gut gemeistert. Der Wassermangel bei fortgeschrittener Reife der Trauben verursachte nicht wenige Probleme für die Gesundheit der Schalen, was wiederum einige Probleme für die Reife der Tannine mit sich brachte und in einigen Fällen den Säuregehalt senkte.

Dann spielte das Terroir von Montalcino seine Rolle mit seinen einzigartigen Eigenschaften und morphologischen Besonderheiten, die einige „Wunder“ in Bezug auf die Qualität ermöglichten. Einige Gebiete in etwas höherer Lage behielten mehr Feuchtigkeit im Untergrund und produzierten bessere Weine, die fast auf dem Niveau der besten Jahre lagen. Dazu gehörte zum Beispiel das Gebiet des Grates, das vom Passo del Lume Spento bis Castiglion del Bosco reicht.

Wie immer spielte die Geschicklichkeit der Weinbergpfleger eine wichtige Rolle und vermeidet den Sommerschnitt. Ebenso wichtig war die Kompetenz im Weingut, die richtige Verwendung von Holz sowohl für die Alterung als auch für die Gärung/Mazeration. Eine weitere Variable, die eine Schlüsselrolle spielte, war die Zuteilung von 15% des Weins aus verschiedenen Jahrgängen, die, wenn sie gut gemacht wird, ein schwieriges Jahr verbessern kann. Dennoch muss dies mit Vorsicht geschehen, da es sonst mehr schaden kann als einem Wein zu helfen.

Alles in allem gibt es einige ausgezeichnete, sehr angenehme und leicht zu trinkende Brunello 2011, auch wenn die meisten nicht dazu bestimmt sind, lange zu altern. Glücklicherweise hat die Mehrheit der Produzenten die extremen und widersprüchlichen klimatischen Bedingungen gut gemeistert und Weine hervorgebracht, die deutlich besser waren als die von 2003, die ähnliche Wetterprobleme hatten. – DOCTORWINE.IT

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