Ein guter Tropfen für Ungeduldige
Der Rosso di Montalcino ist eine vergnügliche Ergänzung zum Brunello
Die kleine Elite der Spitzenerzeuger erfüllt höchste Qualitätsansprüche
Wenn er sprechen könnte, würde er sich vermutlich heftig dagegen wehren, als „kleiner Bruder“ des berühmten Brunello bezeichnet zu werden. Die Rede ist vom Rosso di Montalcino. Zwar verwenden die meisten Winzer ihn gewissermaßen als Zweitwein, gekeltert aus den jüngeren Reben oder den B-Lagen ihrer Weinberge. Daraus allerdings zu folgern, dass der Rosso dem Brunello deutlich nachsteht, wäre vorschnell geurteilt. Denn die kleine Elite der Spitzenerzeuger legt bei diesem Wein die gleichen strengen Maßstäbe an. Alle Trauben werden unterschiedslos bearbeitet.
Mit der Reifezeit „spielen“
Der Rosso di Montalcino hat 1983 den DOC-Status erhalten und wird wie der „große Brunello“ vollständig aus der Sangiovese Grosso hergestellt. Allerdings ist der ebenfalls leuchtend rubinrote Wein mit einem Alkoholgehalt von 12 Prozent etwas leichter. Eine Besonderheit: Die Winzer haben die Möglichkeit, schon während der Lese zu entscheiden, welches Produkt sie herstellen möchten. In guten Jahren kann also eine Auslese für den Ausbau zu einem Brunello getroffen werden; nur ein Rest ist dann für den „Zweitwein“ bestimmt. Fällt ein Jahrgang dagegen schlecht aus, wie etwa 1992 oder 2002 geschehen, dürfen die Trauben vorwiegend als Rosso vermarktet werden. Der Vorteil dieser Vorgehensweise: Dem Image des Brunello wird kein Schaden zugefügt. Eine früh getroffene Entscheidung zu Gunsten des Brunello können die Erzeuger sogar noch während des Reifeprozesses ändern. Sie müssen nur die vorgeschriebene Ausbauzeit vorzeitig abbrechen. Denn ein Rosso di Montalcino lagert meist 12 bis 15 Monate in Eichenfässern und eventuell noch für einige Monate in der Flasche, während der klassische Brunello insgesamt vier Jahre lang reifen muss. Ein Ausbau des Rosso in Holzfässern ist übrigens nicht zwingend erforderlich; die Reifezeit kann sogar auf ein Jahr begrenzt werden.
Hoher Trinkgenuss zum günstigen Preis
Dass der Rosso wegen seines begrenzten Reifepotenzials wesentlich früher genossen werden kann, gereicht ihm nicht zwangsläufig zum Nachteil. Auch in jungen Jahren bereitet er mit wenig Tanninen Vergnügen. Die Komplexität des Brunello kann der Rosso allerdings nicht erreichen. Den einfacheren Weinen kann es zudem an Tiefe und Struktur mangeln; der Anschaffungspreis steht dann manchmal nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Genuss. Andererseits gelangen auch Jahrgangsweine von beneidenswerter Qualität in den Handel. In der Regel ist ein Rosso von einem guten Brunello-Produzenten ein guter Kauf, da er bereits viele Qualitäten des prestigeträchtigen Familienoberhauptes zeigt, ohne dass ein Weinfreund gleich tief in sein Portemonnaie greifen muss. Die Preise liegen nicht selten bis zu zwei Drittel niedriger. (mh)
Fazit: Der Rosso di Montalcino ist, wenn er vom Kellermeister richtig ausbalanciert wurde, eine sehr gute Ergänzung zum Brunello.